Freitag, 17. April 2020

Impuls zum 2. Sonntag der Osterzeit

Gedanken zum Evangelium Joh 20,19-31

„Ich glaub das alles nicht…“

So wie dem Apostel Thomas geht es heute vielen Menschen mit ihrer Kirche. Manche, die vielleicht von klein auf sehr bewusst und eng mit der Kirche gelebt haben, fügen vielleicht noch hinzu: „Ich kann und ich will das jetzt einfach nicht mehr glauben…“

Diese Ablehnung hat meist konkrete Gründe, von denen mir Menschen immer wieder erzählen. Die einen berichten von schlechten Erfahrungen, die sie mit Pfarrern oder anderen Vertretern der Kirche gemacht haben. Andere verweisen auf die vielen Skandale, die die Kirche in Deutschland und weltweit erschüttert haben und ziehen dann einfach für sich einfach einen Schlussstrich.
Die Enttäuschung bei vielen Christen und auch bei vielen Ausgetretenen ist groß. „Ich kann und will das jetzt einfach nicht mehr glauben…“.
Vielen geht es da heute ähnlich, wie damals dem Thomas, den wir vielleicht meist viel zu vorschnell den „Ungläubigen“ nennen. Denn Thomas hatte bei all seinen Zweifeln doch auch eine unendliche Sehnsucht in sich. Er wollte – im wahrsten Sinne des Wortes – „be-greifen“, er wollte glauben können.

Diese Sehnsucht spüre ich auch heute bei Vielen, die sich von unserer Kirche entfernt oder ganz von ihr getrennt haben. Aber auch in den Gesprächen mit Menschen, die sich entscheiden, wieder in die Kirche einzutreten, kommt dies sehr stark zum Ausdruck. Sie alle sehnen sich nach etwas „Glaubwürdigem“, auch wenn sie nach vielen Enttäuschungen oft nicht mehr wirklich darauf zu hoffen wagen, eine für sie glaubwürdige Kirche zu finden.
Um diese Sehnsucht der Menschen zu erfüllen, braucht die Kirche heute mehr denn je glaubwürdige Zeuginnen und Zeugen.
Kein noch so toller Bericht konnte einst dem Thomas zum Glauben verhelfen. Er brauchte die wirkliche, die direkte Begegnung, brauchte Glaubwürdigkeit. Die suchen Menschen auch heute.

Thomas wird vielfach als der "Heilige der Neuzeit" genannt, weil er - wie die Menschen heutzutage - nicht einfach blind glauben will, weil er seine Zweifel nicht unterdrücken will, weil er nicht nur nachreden will, was andere ihm erzählen. Thomas muss nicht allein zu diesem Glauben kommen. In der Gemeinschaft, in der Communio, erkennt Thomas seinen Herrn, den Auferstandenen. Sein Glaubensbekenntnis "Mein Herr und mein Gott!" kann er letztlich nur über die Lippen bringen, als er „be-greifend“ Jesu Wundmahle berührt. Bedeutet das nicht für mich und für jeden, dass unser Glaube dort wächst, wo wir uns auf die Wunden der Welt einlassen, wo wir die wahnsinnigen Kriege, das viele Unrecht, jegliche Krankheit und alles Scheitern, das offene Grab nicht verdrängen und überspringen?

Unser heutiges Bild, das Platz gefunden hat im Altarraum beim Kreuz des Karfreitages und der Osterkerze, zeigt in Szenen, wo dieses „Mein Herr und mein Gott“ Hand und Fuß bekam und auch heute noch bekommt.
Dieses Vertrauen und Angenommensein durfte eine junge Frau nach dem schweren Angriff mit Napalbomben 1965 auf Vietnam erfahren, nachdem sie aus diesem Krieg heraus schwer verbrannt gezeichnet ihr Kind in Freude in den Armen halten darf.
Nicht zu wissen, wie es morgen weitergeht, trotz Hunger und Armut erfreut sich der Vater um den Reichtum seines Kindes, seiner Zukunft. Auch hier darf der Mensch im Glauben heraus sich gehalten wissen in Gottes liebenden Händen.

Es sind nur zwei Beispiele, die dieses Urvertrauen in den Auferstandenen aufleuchten lassen, dass auch der hl. Thomas an diesem Sonntag erfährt.
Wie hat einmal der hl. Klaus von der Flue so schön dieses Glaubenszeugnis des hl. Thomas in ein Gebet formuliert?

Mein Herr und Gott, nimm alles von mir, was mich hindert zu dir.
Mein Herr und mein Gott, gib alles mir, was mich fördert zu dir.
Mein Herr und mein Gott, nimm mich mir und gib mich ganz zu Eigen dir.

Ich wünsche uns allen, dass wir dieses Bekenntnis täglich neu bekräftigen, auch wenn wir noch nicht wissen, wann wir wieder gemeinsam Gottesdienst feiern können. Mit Ihnen im treuen Gebet verbunden

Ihr Pfarrer und Seelsorger Marco Gabriel