Woher weiß man, dass der Frühling beginnt?
Jedes Jahr am 20. März ist Frühlingsanfang. So steht es jedenfalls im Kalender. Schaut man aber derzeit auf den Thermometer oder aus dem Fenster, könnte man manchmal denken, dass es mit dem Frühling noch lange braucht.
Ob Frühlingsanfang ist, liegt nämlich gar nicht am Wetter, also nicht an den Temperaturen, die wir so täglich abfragen oder präsentiert bekommen durch Funk und Fernsehen. Es liegt ganz allein an der Sonne! Frühlingsanfang ist eine Sache, die genau genommen im Weltraum entschieden wird. Deshalb wird es auch der astronomische Frühlingsanfang genannt, denn unsere Erde dreht sich nicht nur jeden Tag einmal um sich selbst, sondern sie saust auch gleichzeitig um die Sonne. Jedes Jahr ziemlich genau einmal. An dem Tag, der bei uns Frühlingsanfang heißt, sind Tag und Nacht genau gleich lang, und zwar überall auf der Erde: in Berlin und New York genauso wie in Moskau oder Dublin. Fachleute sprechen von der Tagundnachtgleiche.
Um das Fest Mariä Lichtmess, am 2. Februar merkt man dann schon sichtlich beim Aufstehen, dass es Tag für Tag früher hell wird und die Abende länger hell bleiben. Für mich persönlich der Beginn von Frühling, des Erwachens und des Aufblühens. Und damit ist eben auch für viele Pflanzen der Startschuss gefallen. Sie fangen an zu wachsen.
Die allerersten sind meistens die Schneeglöckchen, solche, die ich auch für das Titelbild aus dem Klostergarten in Klingenmünster abfotografiert habe. An vielen Stellen sind sie schon zu sehen und bilden in so manchen Vorgärten ein Meer von weißer Pracht. Für mich immer wieder ein Augenschmaus.
Also muss der Frühling wohl angefangen haben.
Ganz ehrlich: genau dieses Bild möchte ich Ihnen mit in Ihren Alltag geben auf dem Hintergrund der aktuellen Situation, in der wir uns als Kirche – ob in unserer Pfarrei, im Bistum oder weltweit gerade befinden.
Vielen geht es wohl wie mir: jede neue Nachricht und Schlagzeile aus den unterschiedlichen Bistümern über Übergriffe Schutzbefohlener oder Vertuschungsversuche hoher Würdenträger machen einen sprachlos und vor allem wütend. Immer mehr und mehr stürzen jahrhundertlange hohe Mauern von Schweigen und Vertuschung ein und bringen sehr viel menschliches Leid zum Vorschein. Da ist kaum etwas von Aufbruchstimmung oder Frühlingsgefühlen zu spüren und zu erahnen. Weiterhin geht das Vertrauen in die Institution katholische Kirche verloren. Täglich wenden Menschen der Kirche den Rücken zu und verlassen durch ihren Kirchenaustritt die Gemeinschaft. Meist nicht bewusst, welche selbstverständliche Einrichtungen finanziell darunter leiden werden, bzw. eingestellt werden müssen. Da nenne ich nur Kitas, Alten- und Senioreneinrichtungen Beratungsstellen der Caritas, finanzielle Unterstützungen der Pfarreien vor Ort u.v.m.
Als Hauptamtliche, aber auch als Gemeindemitglied sehnt man sich nach einem im Bild gesprochenem „Schneeglöckchen aus harter, kalter Mauer“.
Vielleicht befinden wir uns gerade in einer Phase des Aushaltens und der Ohnmacht. Und doch darf und kann man nicht stillschweigend darüber hinwegsehen. Ob als Hauptamtlicher oder als Ehrenamtlicher.
Im kommenden Oktober werden wieder in unserem Bistum die Wahlen der Pfarrgremien stattfinden. Jede Gemeinde soll und darf für die kommenden 4 Jahre wieder Zeugnis seines Glaubens geben, gerade und vor allem in diesen herausfordernden Zeiten.
Ein Kraftakt für viele Ehrenamtliche – das weiß ich.
Und doch sehe ich immer wieder kleine, zarte und wichtige Aufbrüche, Frühlingsblüher,
Trotzer in kalten Tagen.
Ich sehe und erlebe unsere Erzieherinnen in unseren Kitas, die herausragende Arbeiten an unseren Kindern Tag für Tag machen. Glaubenszeugnis an unseren jungen Familien.
Ich erlebe immer wieder das große Engagement vieler Frauen und Männer in unseren unterschiedlichen Gemeinden, die MitbürgerInnen zum Geburtstag gratulieren, Kranke, Ältere und Alleinstehende besuchen und Nachbarschaftshilfen anbieten.
Und vor allem erlebe ich unsere Kinder und Jugendliche, die sich ihres Glaubens nicht schämen und unterschiedlich in unserer Pfarrei aktiv sind. Gerade im Messdienerdienst und in der Jugendarbeit.
Für mich „Frühlingserwachen“ in „meiner Kirche vor Ort“.
Dort, wo ich sehr gerne Seelsorger bin und auch bleiben will.
Trotz den vielen Umbrüchen und Veränderungen.
Woher weiß man, dass der Frühling beginnt?
Ganz einfach – wenn man beim Menschen bleibt, ihn ernst nimmt und ihn aufblühen lässt – wie die Schneeglöckchen.
Ihnen allen wünsche ich viele blühende Momente im persönlichen Glauben und in unserem Miteinander in unserer Pfarrei.
Ihr Pfarrer Marco Gabriel