Der Turm der katholischen Kirche in Göcklingen wird im Jahr 2020 150 Jahre alt
Ein fast vergessenes Jubiläum
Geschichtlichen Erkundigungen zufolge standen im Umfeld der katholischen Kirche bisher drei Türme. Der älteste von ihnen ist zwischen 1731 und 1787 nachweisbar.
Im Pfarrgedenkbuch steht über den alten Turm, dessen Erbauung unbekannt ist, "soll der Chor zu unterhalten die Kirch, das Langhaus, in Dach und Fach das Stift zu Klingenmünster und *der Thurm,* die Gemeindt Göcklingen schuldig sind."
Pfarrer Praeg berichtete 1787 "dass die da hiesige Gemeindt den baufälligen Thurm abgerissen und zur schleunigen Herstellung eines anderen bereits alles veranlasst habe." Der alte Turm wurde 1787 abgerissen und im gleichen Jahr wieder, aber um ein Stockwerk höher aufgebaut. Er hatte einen hölzernen Glockenstuhl. Dieser zeitlich gesehen - mittlere Turm - stand von 1787 bis 1869.
In der Nacht vom 13. auf 14. Juni 1869 schlug der Blitz gegen 11 Uhr (in der Nacht) in den Turm. Er brannte wie eine Kerze von oben herab. Der Brand dauerte bis morgens. "Noch 8 Tage war Kohlenglut im Thurme." Die beiden Glocken, eine 370 kg und die andere 190 kg schwer, die 1842 von der Fa. Lindemann von Zweibrücken geliefert wurden, fielen gegen 3 Uhr morgens herab. Sie hatten sich am Anfang des Brandes noch das eigene Grablied gesungen" steht in den Annalen dieser Zeit zu lesen.
Der Turm war von der Gemeinde mit 4 000 Gulden versichert. Der Schaden wurde auf 1738 Gulden und 15 Kreuzer festgelegt, weil nur die oberen Stockwerke abgetragen werden sollten. Die finanziellen Differenzen führten zu einem Rechtsstreit zwischen Kirche und politischer Gemeinde einerseits und dem Versicherungsunternehmen andererseits. Im Verlauf des Rechtsstreits wurde der ganze Turm für baufällig erklärt und die Versicherungssumme von 4 000 Gulden, abzüglich des vorhandenen Materialwertes von 150 Gulden bezahlt.
Der Turm wurde wegen Baufälligkeit ganz abgetragen und vom Fundament auf in seiner heutigen Form im Jahr 1870 neu erbaut. Den Plan hierzu entwarf der "Bauschaffner" (Architekt) Maxon von Landau. Conrad Kraus, Nußdorf, und Peter Flory, Ilbesheim besorgten die Maurer- und Steinhauerarbeiten; Tüncher waren Ludwig, Mörzheim und Propheter, Ilbesheim, die Schmiedearbeiten führten die hiesigen Firmen Becker und Stuck aus, die Glaserarbeiten wurden bezahlt nach Ausweisung der Rechnung. Dem Bauschaffner Maxon kann man das ehrenvolle Zeugnis ausstellen, dass er sich durch den schmucken Turm ein bleibendes Denkmal gesetzt und der Gemeinde ein so genanntes "Wahrzeichen" geschaffen hat. Zitat eines Göcklingen-Heimkehrers: "Wenn ich den Kirchturm sehe, dann bin ich wieder daheim!"
Der neue Turm kostete 963 Gulden mehr als veranschlagt bzw. die Versicherung bezahlt hatte. Diese Mehrkosten lösten wiederum einen heftigen Streit zwischen der politischen Gemeinde und der katholischen Kultusgemeinde aus. Die politische Gemeinde hatte auf dem Turm eine Uhr installiert, um alle Bürger über die Uhrzeit zu informieren. Das war damals eine übliche Gepflogenheit, zumal noch nicht jeder Haushalt eine Uhr sein eigen nennen konnte. Es könnte sein, dass die Gemeinde hiervon ein Eigentumsrecht ableitete, weil sie die Uhr finanziert und auf ihre Kosten gewartet hat. Die Gemeinde teilte deshalb im Mai 1870 der katholischen Kultusgemeinde folgendes mit:
"Der Gemeinderat ist bereit, den fraglichen Turm der kath. Cultusgemeinde als Cultuseigentum abzutreten, beziehungsweise auf den Anteil der protestantischen und israelitischen Gemeinde zu verzichten unter der Bedingung, dass
a) die neue Turmuhr wieder in den Turm verbracht wird und zu ihrem Schlage die Glocken der Catholiken benutzt und
b) das politische Geläut wie bisher wieder versehen werden darf.
2.) Im Falle der Fabrikrath (heute Verwaltungsrat) sich hierzu nicht verstehen sollte, bleibe der Thurm Eigenthum der politischen Gemeinde und wird sodann durch den Gemeinderath der protestantischen Gemeinde da hier das Recht eingeräumt, einen eigenen Glockenstuhl auf Gemeindekosten im Thurme aufzustellen und dort Glocken aufzuhängen und zwar über kurz oder lang."
Aus der Antwort des katholischen Pfarrers an den Gemeinderat geht sinngemäß hervor, dass seitens des Fabrikrats Bedenken zu den Eigentumsverhältnissen des Turmes bestehen, aber allein die Turmunterhaltung durch die Gemeinde ein Eigentum der Gemeinde nicht begründet. "Die Gemeinde hatte das Recht, bis zum Brand die Uhr auf dem Turm zu installieren und dafür zwei aus katholischen Kultusmitteln angeschaffte Glocken zu benützen und das Polizeigeläut um 10 Uhr abends zu besorgen. Dafür wurde der Turm von der politischen Gemeinde unterhalten. Dieses Recht kann und will der Fabrikrath der politischen Gemeinde nicht streitig machen, sofern es nach der Erbauung des Turmes
beim alten bleibt."
In dem Rechtsstreit waren sich wohl beide Parteien ihrer Sache nicht sicher, zumal sich die Göcklinger Protestanten und Israeliten an den Kosten beteiligten und davon ein Entschädigungsrecht, Benutzungs- bzw. Teileigentumsrecht an dem Turm ableiteten.
Man einigte sich auf folgende Lösung: Die Protestanten verlangten einen Anteil am Turm, weil sie für die Mehrkosten von 4000 Gulden bezahlen mussten.. Dagegen wehrten sich die Katholiken. In einem Gemeinderatsbeschluss wurde bestimmt, dass die Protestanten ein Drittel der Mehrkosten für Cultuszwecke aus der Gemeindekasse erhalten sollten.
Bei der Benutzung des Turmes blieb alles beim alten. Von dem Mehrbetrag an Baukosten erhielten die Protestanten für ihre Cultusbedürfnisse 266 Gulden und 9 Kreuzer, die Israeliten 54 Gulden und 51 Kreuzer. Der Betrag der Israeliten wurde 1873 ausbezahlt. Alle anderen Rechtsprobleme wurden nicht gelöst.
(Anmerkung des Verfassers: Es ist zu vermuten, dass zu damaliger Zeit konfessionell bedingte Spannungen zwischen der Bevölkerung verstärkt auftraten.)
Die Protestanten hatten damals schon ein eigenes Gotteshaus, das gerade 70 Jahre alt war mit Turm und zwei Glocken, so dass das angestrebte Recht, auf dem Turm bei der katholischen Kirche einen eigenen Glockenstuhl für zwei Glocken der
evangelischen Kirche einzurichten, nur theoretischer Natur gewesen sein kann. Erstaunlich ist auch die Tatsache, dass der israelitische Bevölkerungsanteil nicht unwesentlich war, sonst hätte er keinen Anspruch auf finanzielle Entschädigung stellen können.
Nach Jahrzehnten, - offensichtlich durch andere Ereignisse, wie die beiden Kriege, überlagert - einigte man sich im Jahr 1953 endgültig dahingehend, dass der Turm Eigentum der katholischen Kirche sei, die politische Gemeinde jedoch Eigentümer der Turmuhr. Sie darf aber nach wie vor die Glocken zum Stundenschlag und zum "Sturmgeläut" (bei Bränden oder sonstigen Notfällen) benutzen. Die Unterhaltung und Wartung der Uhr obliegt der politischen Gemeinde. Sie erklärte sich auch bereit, für die Turmuhr jährlich eine "Miete" von 100.-- DM zu zahlen.
In den Jahren 1990/91 erhielt der Turm eine neue Schiefereindeckung, wurde neu verputzt und schadhafte Holzbalken ausgewechselt. Da der Turm frei stehend und durch den Höhenunterschied besonderen Witterungseinflüssen ausgesetzt ist, wundert es nicht, dass bereits 2011 und 2012 wesentliche Reparaturarbeiten vorgenommen werden mussten. Ein neuer Außenputz war fällig, die Schallläden wurden erneuert und der Turm erhielt an Stelle der bisherigen Stahlkonstruktion, einen neuen Glockenstuhl aus Eichenholz, der mit den Glocken mitschwingt. Außerdem wurde das zweischalige Sandsteinmauerwerk durch Edelstahlanker zur Verbesserung der Statik "vernadelt" (mit flüssigem Beton verpresst) und die Balken des Turmhelms erneuert.
Die Streitigkeiten um den Turm gehören inzwischen der Vergangenheit an und sind glücklicherweise in Vergessenheit geraten. Am Fuß und im Schatten des Turms feiern heute im idyllischen Pfarrgarten Christen aller Konfessionen und Mitglieder anderer Religionsgemeinschaften gemeinsam und friedlich ihre weltlichen und kirchlichen Feste in froher Eintracht.
Text: Paul Kleiner, Göcklingen